Bauliche Verdichtung in Dagersheim-Ost wäre fatal Leserbrief vom 16. September 2020
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Dagersheim ein zahnloser Tiger? Die Schlange im Wappen eine Blindschleiche? Dagersheim-Ost wurde einmal als schönes Gartenviertel unter dem Motto "ruhig, mit der Natur im Einklang an der Schwippe-Riviera wohnen" ins Leben gerufen. Verwaltung und Bevölkerung waren sehr stolz darauf, ein besonderes Wohnviertel ausweisen zu können. Der kleine, grüne Park mit Spielplatz am alten Kitagelände war Kommunikations-Punkt dieser Gegend. Doch die besondere Lage und Bauweise weckte und weckt immer noch Begehrlichkeiten; auch bei unserer Stadtverwaltung. Ich erinnere an den Aufschrei, als man die Gartenhof-Häuser unbedingt aufstocken wollte - alle Argumente, die damals dieses Vorhaben verhinderten, haben heute genauso ihre Gültigkeit. Jede höhere, dichtere und graue statt grüne Bebauung nimmt den jetzigen Bewohnern in hohem Maße Lebens- und Wohnqualität. Man kann nicht mehr ungezwungen und geschützt den Garten, die Terrasse und den Balkon genießen. Müssten Sichtschutzwände gebaut werden? Fast ein halbes Jahrhundert waren Ruhe und Frieden das Aushängeschild dieses Gebietes. In den Hochhäusern (verdichteter Lebensraum) gab es ab und an Ärger und Polizeieinsatz. Das muss doch zu denken geben?
Ich bin mir ganz sicher, dass unsere Stadtverwaltung über das Wissen verfügt, wie man humanen und zukunftsgerichteten Wohn- und Lebensraum schafft. Die selbst auferlegte und beschlossene Richtlinie, Empfehlung, Vereinbarung und Leitlinie, die wir im Stadtleitbild Böblingen 2020, im Städtebaulichen Leitbild für Dagersheim, dem Ortsentwicklungskonzept Dagersheim, der Arbeitsgemeinschaft Wohnraum der Stadt Böblingen, und so weiter finden, belegen das. Unter anderem heißt es dort: Die vorhandene Stadtstruktur mit ihren verschiedenen Quartieren, Stadtteilen sowie Grün- und Freiflächen gilt es in ihrer jeweiligen Eigenart zu erhalten und zu stärken. Sowohl die Innenstadt, als auch die Stadtteile bieten eigene Möglichkeiten zur Identifikation und emotionalen Bindung. Dagersheim bleibt ein eigenständiger Ortsteil mit eigenem Charakter.
Auch im Klimaschutzkonzept der Stadt Böblingen heißt es: Dagersheim-Ost, mit vorrangig Ein- und Zweifamilienhäusern ist jedoch heute schon stadtklimatisch eher begünstigt durch den kühlenden Effekt der vorhandenen Grünstrukturen. Weiter heißt es im Maßnahmenkatalog des Konzeptes: Viele kleine Kühloasen schaffen, Schutz und Förderung von grünen strukturreichen Gärten und Höfen mitsamt ihrer Baumbestände. Allein aus dieser Sicht wäre es fatal, Dagersheim-Ost weiterhin baulich so zu verdichten und mit mehrgeschossigen Bauten zuzupflastern. Auf das sich ständig wandelnde gesellschaftliche Gefüge muss eine Stadtplanung reagieren, dabei sollte sie jedoch die selbst aufgestellten Regeln und Richtlinien, so wie die langfristigen Auswirkungen für die Einwohnerschaft nicht aus dem Auge verlieren. Wie geschrieben: Dagersheim bleibt ein eigenständiger Ortsteil mit eigenem Charakter und Dagersheim-Ost darf keine Schlafstadt mit Ghetto-Bebauung für Böblingen werden.
Jutta Jach, Dagersheim